Ort: Paradies Revue Theater Nürnberg
Event: 27. September 2025
Artikel: 29. September 2025
Ich war im Paradies in Nürnberg Süd, einer Travestie Revue. Dass es die Derniere war, habe ich erst während der Vorstellung gemerkt, vorher wusste ich das nicht. Ich war nur einmal dort, habe also keinen Vergleich, aber es gibt auch keine Anhaltspunkte zu sagen, an diesem Abend sei irgendetwas schief gelaufen.
Der Club selbst hat mich überrascht. Es wird dort geraucht, was mir vorher nicht klar war. Wer empfindlich auf Zigarettenrauch reagiert, kann dort Probleme bekommen. Der Raum ist außerdem wahnsinnig eng, enger als ich es je erwartet hätte. Wenn ich es richtig verstanden habe, wird man vom Chef des Hauses platziert, und der kann sich auch gegen die beim Eintrittskartenkauf gewählten Plätze entscheiden. Wer nicht als Gruppe kommt, sitzt mit fremden Menschen an einem Tisch und steckt dort dann zweieinhalb Stunden fest, mit einer Pause zwischendrin. Ich würde ehrlich gesagt empfehlen, mindestens zu zweit zu kommen.
Die Show selbst war eine Revue mit fünf Künstler*innen, die unterschiedliche Nummern beigetragen haben.
Lipsynching, Live-Gesang zu Musik-Playback, Conferencen, Burlesque-Nummern und Tanz.
Es gab eine gemeinsame Eröffnung, ein gemeinsames Finale, dazwischen viele solistische Arbeiten und auch ein Duett.
Nicht jede Person hat alles gemacht.
Bei den Conferencen, die man am ehesten mit crowd work vergleichen kann wie man sie von US-amerikanischen Stand-Up-Comedians kennt, haben sich mehrere Leute versucht, mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Eine interessante Entscheidung, diese Kunstform von Menschen auf so verschiedenen Niveaus präsentieren zu lassen.
Die Tanznummern würde ich beschreiben als auf niedrigem Niveau stabil. Es ist unterhaltsam, ein paar Grundlagenfähigkeiten sind erkennbar, aber es ist weit entfernt von dem, was ich von Profi-Tänzer*innen erwarten würde.
In der von mir besuchten Travestie-Show wurden rassistische, transphobe, sexistische und ageistische Witze gemacht. Auch vulgäre Sprache und die Objektifizierung von Publikum und Personal gehörten zum Programm. Mein Eindruck war, dass Travestie hier nicht genutzt wurde, um gesellschaftliche Normen spielerisch zu hinterfragen oder Diversität sichtbar zu machen, sondern vielmehr als Freifahrtschein diente, um überholte, politisch inkorrekte „Altherrenwitze“ ungestraft zu platzieren.
Der Effekt war, dass sich die Show stark an ein weißes, hetero-, cisnormatives Publikum anlehnte und dessen Erwartungen an plumpen, provokanten Humor bestätigte – anstatt Räume für vielfältige Perspektiven zu öffnen. Dadurch wirkte die Inszenierung insgesamt wie eine überholte Form der Travestie-Show, die gesellschaftlich nicht mehr zeitgemäß erscheint.
Es ist wichtig, das vorab zu wissen: Wer unvorbereitet in eine solche Show geht, kann sich schnell in einer Situation wiederfinden, die sich unangenehm oder verletzend anfühlt.
Wenn du neugierig bist, kann es interessant sein, eine solche Inszenierung einmal zu erleben. Gleichzeitig ist es gut, dir im Vorfeld bewusst zu machen, dass dich explizite, derbe und gesellschaftlich längst überholte Inhalte erwarten können. So kannst du selbst entscheiden, ob das für dich passt.
Das Publikum hatte nicht immer verstanden, dass diese Art von Show von der Interaktion zwischen Bühne und Zuschauerraum lebt. Manche kamen mit einem Konsumanspruch und wurden dann vor versammelter Mannschaft dafür ausgezählt. Das gehört zum Spiel, und wenn man sich darauf einlässt, kann es sehr lustig sein.
Ist das überhaupt vegan?
Es wurde weder positiv noch negativ über Klimapolitik oder Umweltaktivismus diskutiert. Es gab in der Show wahrlich andere Baustellen, also hier war das meine geringste Sorge. Die gute Nachricht ist: es wurde nicht behandelt. Die schlechte Nachricht ist aber auch: es wurde nicht behandelt.
Wie queer ist das denn?
Fast gar nicht. Für mich war das ein typischer Fall von homosexuell, aber nicht queer. Der Großteil der Menschen, die aufgetreten sind, nutzt weitlich die politischen und sozialen Vorteile aus, die sie als weiße Männer haben. Und tritt mit Hackenschuhen nach unten.
Meine Haltung zum Bühnenwerk
Zwei Dinge können gleichzeitig wahr sein: ich kann mich amüsieren und feiern und mir gleichzeitig der politischen Problematiken bewusst sein. Ich habe mich unterhalten gefühlt, aber ich sehe auch, wo die Grenzen liegen und was kritisch zu betrachten ist.
Und ich glaube, das ist in meinem Blog das erste Mal, dass ich sage: Hierauf kannst du verzichten. Schau dir lieber etwas anderes an. Ich glaube auch, das wird dem Etablissement nichts ausmachen. Soweit ich an den Eintrittskartenverkäufen sehen kann, ist das Haus ohnehin immer voll. Und soweit ich anhand der Show erkennen konnte, besteht keinerlei Interesse an einem diversen oder jungen oder queeren Publikum.
Schön, dass du bis hierhin gelesen hast!
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